Eine Erfahrung mit Love Bombing und Ghosting bei narzisstischen Persönlichkeiten
Es war ein zufälliges Treffen, als Romana (35), Marcus (48) (Namen red. geändert), kennenlernte. Marcus war von Beginn an von Romana begeistert und sehr angetan. Er rief sie täglich an, sie telefonierten stundenlang. Obwohl Marcus zu Beginn so gar nicht Romanas Typ war, schmeichelte ihr das „umworben werden“ von einem Mann und Marcus ließ keine Chance entgehen. Er war überaus aufmerksam, wusste genau, was eine Frau mag. Er umgarnte sie mit Worten „ich kann es nicht fassen, dass du Single bist“ oder „Du bist so schön – mit dir hat man einen Glückstreffer – du könntest jeden Mann haben“. Sie konnte an seinen Augen ablesen, wie angetan er von ihr war. Er schenkte ihr Blumen und andere Geschenke, er verbrachte jede freie Minute mit ihr, lud sie zum Essen ein, kochte für sie, massierte ihren Rücken. Er trug sie auf Händen und sprach davon, dass das Aufeinandertreffen kein Zufall sein konnte. Schon zu Beginn nahm er das Wort "seelenverwandt" in den Mund. Er schrieb ihr Botschaften auf kleine Zetteln und verteilte sie, wenn er ihre Wohnung verließ.
Beim "fast forwarding" werden einzelne Phasen des Kennenlernens im Eilverfahren durchlaufen oder oftmals übersprungen
Romana war prinzipiell ein eher verschlossener, kühler Typ, die sich nicht so leicht öffnete. Sie war von Grund aus eher vorsichtig. Doch Marcus ließ nicht locker, bis Romana sich gefühlsmäßig immer mehr auf ihn einließ. Marcus gab sich als der starke Mann, der für sie da war. Für jedes Problem hatte er eine passende Lösung. Er war ein Kümmerer, Sorger und umgarnte sie immer mehr. Da er einige 100 Kilometer entfernt wohnte, blieb er schon bald bei ihr über Nacht und zog relativ schnell in ihre Wohnung ein, räumte seine Kleidung in ihren Schrank und legte seine Utensilien ins Bad.
Romana war eigentlich nicht sonderlich naiv, aber in dieser Situation dachte sie sich, was war schon dabei, schließlich wohnt er so weit weg, und wenn es passt, kann es schon mal schneller gehen. Wenn ein Mann sich derart um sie bemüht, kann es sich ja nur um Liebe handeln. Marcus war um ihr Wohlergehen bemüht, er stärkte ihr Selbstvertrauen. Da er über 10 Jahre älter war, wirkte er sehr erfahren, gab ihr Tipps im Umgang mit KollegInnen bei der Arbeit und bei alltäglichen Problemen, die sich ergaben.
Menschen mit narzisstischen Zügen manipulieren gerne, damit sich der Partner in eine Abhängigkeit begibt und damit sie den anderen unter Kontrolle haben. Sie fühlen sich größer und besser als andere Menschen und geben ihre Selbstverherrlichung gerne zur Schau.
Er gab sich sehr stark obwohl sie bemerkte, dass er kein so großes Selbstbewusstsein hatte, wie er vorgab – aber das machte ihn für sie umso „menschlicher“. Er redete auch sehr gerne über sich und seine Fähigkeiten - manchmal war er ganz besonders selbstverliebt und sprach über einzigartige Fähigkeiten, er war einfach der Beste. Sie bewunderte ihn für seine "Feinfühligkeit" und seine schnelle Auffassungsgabe, sagte ihm auch immer wieder, wie toll sie diese Eigenschaften an ihm fand, machte ihm Komplimente und bewunderte ihn dafür. Marcus tat es ab, aber es schmeichelte und gefiel ihm. Er meinte, dass hätte seine Vorgängerin nie zu ihm gesagt. Das einzige, was sie wunderte war, dass er manchmal total empathielos war, wenn es um Schicksale anderer ging. Hier zeigte er keinerlei Mitgefühl. Aber er erklärte Romana, da hätte er eine gewisse Härte, schließlich wäre ja auch nur sie das Wichtigste für ihn. Und dass Romana ihm wichtig war, zeigte er ihr immer wieder, indem er sich um ihr Leben und ihre Probleme annahm und ihr die volle Aufmerksamkeit schenkte, ihr immer wieder Tipps bei der Lösung von Problemen gab. Sie bewunderte Marcus für seine Stärke und seine Lebenserfahrung.
Sie sprachen auch über vergangene Beziehungen. Marcus hatte drei Kinder von zwei verschiedenen Frauen – es war das Einzige, was Romana nicht so recht passte. Doch Marcus hatte auch dafür eine passable Erklärung – es hat sich eben anders ergeben. Er gab sich auch in dieser Beziehung als großer Kümmerer und Sorger, hat er doch seinen ältesten Sohn zu sich genommen und alleine groß gezogen. Da er ständig mit seinen ältesten Sohn telefonierte und ihm bei Problemen, wie der nicht bestandenen Führerscheinprüfung, unterstützte und ihm gut zuredete, machte sich Romana keine weiteren Gedanken. Ganz im Gegenteil, er schaltete auch öfter den Lautsprecher ein und ließ Romana an den Gesprächen mit seinem Sohn teilnehmen.
Marcus gab sich als „der Ehrliche“, der von sich aus sagte, dass er seiner Partnerin sofort mitteilen würde, wenn er Gefühle für jemand anderen hatte und der alles offen anspricht, sollte einmal etwas nicht passen. Und bei der zweiten Frau, mit der auch verheiratet war, hatte er sich eben in eine andere Frau verliebt. Er hatte auf alles eine wunderbare Erklärung und gab sich als Mann mit Handschlagqualität und Gerechtigkeitssinn, der Lug und Trug ablehnte. Marcus erklärte Romana, dass ihm keine andere Frau interessieren würde, sei sie auch noch so schön. Außerdem wäre jede Beziehung nach einem Seitensprung zum Scheitern verurteilt.
Es wunderte sie nur, dass er sich in der Zeit so auf sie konzentrierte und sich mit seinen Kindern nur selten traf. Aber auch dazu hatte er immer wieder passende Antworten: Er schaue eben auch auf sich und das was ihm gut tat: und das war ihre Person. Er gab zu, dass er einen "gesunden Egoismus" hatte und ihm das auch schon von anderen Personen gesagt wurde, aber das in keinster Weise schlimm wäre, er hätte nur ein "gutes Selbstbewusstsein".
Romana ließ es mit dem Nachforschen. Sie wollte nicht an vergangen Dingen hängen bleiben und sich langsam eine Beziehung aufbauen. Doch bei Marcus ging prinzipiell alles ganz schnell. Bereits einige Wochen nach dem Kennenlernen meinte er, dass er sie „vom Fleck weg heiraten würde“. Er schenkte ihr einen Armreifen, worauf der Spruch „Ich liebe dich“ eingraviert war. Da Romana das nicht so toll fand (sie war noch nicht soweit von Liebe zu sprechen), ließ er den Armreifen umtauschen. Es war ihm in keinster Weise peinlich. Obwohl ihr das Verhalten eigenartig vorkam, schob sie die aufkommenden Gedanken beiseite. Vieles war laut Romana den äußeren Umständen, wie der weiten Entfernung der beiden Wohnorte, die sie hatten, geschuldet, womit ihr zwar bewusst war, dass alles ziemlich schnell ging, aber sie nichts dagegen machen konnte. Erst als sie sich über toxische Beziehungen informierte, hörte sie, dass man dieses überschnelle stufenweise Beziehungsphasen überspringen von "fast forwarding" spricht. Marcus wollte schon nach einem Monat ihre Eltern kennenlernen, redete von einem gemeinsamen Kind. Es war ja auch der Wunsch von Romana, sie wollte ein Kind bekommen. So fühlte sie sich immer sicherer und ließ sich immer tiefer auf die Beziehung ein.
Die Beziehung ging über ein halbes Jahr. Romana verliebte sich in Marcus und ließ Gefühle zu. Er wurde ein immer wichtigerer Teil ihres Lebens und sie orientierte sich bei gänzlich allen Entscheidungen an seinen tollen Ratschläge. Alles schien perfekt, als er plötzlich von einem Tag auf den anderen um 180 Grad anders war. Romana merkte eine Veränderung, eine Eiseskälte ging von ihm aus. Sie fragte ihn, was los sei, doch sie bekam nur eine forsche Antwort „nichts“ – und gleichzeitig wurde sie mit Vorwürfen konfrontiert, wie, sie schaue ja nur auf sich selbst und kümmere sich nicht genug um ihn. Sie hätte nie gesagt, dass sie den Wunsch habe, seine Kinder kennenzulernen. Er müsse nun seiner Arbeit nachgehen, die er seit einem halben Jahr sehr vernachlässigt habe. Dann war er weg.
Bei Ghosting spricht man davon, wenn ein Partner den anderen urplötzlich verlässt, ohne sich zu verabschieden, oder ohne dem anderen seine Beweggründe mitzuteilen. Der Partner wird zum "Geist", er wird für den anderen unsichtbar
Romana hatte ein ganz schreckliches Gefühl, ihr ging es plötzlich gar nicht mehr gut. Marcus war nicht mehr erreichbar, obwohl sie ihn in dieser Nacht 10 mal angerufen hatte, meldete er sich erst am nächsten Tag. Sie schrie ihn am Telefon an, was er sich eigentlich einbilde, was denn eigentlich los sei. Doch Marcus wich aus, gab nur unzureichende Antworten. Er brauche jetzt mehr Zeit für sich selbst, müsse sich um seine Arbeit und Kinder kümmern und sie soll ihn nicht drängen. Er nannte sie immer noch "mein Schatz".
Romana fiel in ein tiefes Loch. Sie konnte es nicht fassen. War es der Marcus, den sie kennengelernt hatte? Er war doch der Mann, der ihr nie weh tun würde, der Probleme offen anspricht und immer für sie da sein wollte… ihr graute davor, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Marcus meldete sich nun nur mehr telefonisch ab und zu. Wenn sie anrief, hob er nicht ab, rief erst später zurück. Auf ihre Fragen bekam sie keine Antworten. Als sie ihn fragte, ob es eine andere Frau gibt, verneinte er. Das gab ihr wieder Hoffnung. Er gab ihr noch immer das Gefühl, dass sie ihm noch sehr wichtig war und es schon wieder werden würde, er brauche nur Zeit. Romana hatte großen Liebeskummer, weil er sich so gab. Ihr Herz zerbrach gefühlsmäßig in tausend Stücke und sie weinte sich täglich in den Schlaf. Was hatte sie falsch gemacht? Was war an ihm falsch? Sie fand keine Antwort auf ihre Fragen. Sie blieb trotzdem in der Hoffnung, dass er wieder kommen würde, schließlich waren alle seine Sachen noch da. Letztendlich verging ein Jahr und Marcus ließ sich nicht mehr blicken. Alle Fragen blockte er ab und meinte, sie solle ihn nicht drängen.
Sie fühlte sich komplett alleingelassen - es war ein schreckliches Gefühl. Sie hatte sich auf diesen Menschen total eingelassen, er wurde zu einem starken Anker in ihrem Leben, der so richtungsweisend in ihrem Leben wurde. Sie hatte das Gefühl, ohne ihn nicht mehr zurecht zu kommen. Sie fühlte sich schwach und hilflos. Mit einem Schlag war die Sicherheit, die Marcus ihr gab, weggebrochen, sie fühlte sich komplett verloren. Ihr wurde bewusst, wie sehr sie ihr Leben an Marcus ausgerichtet hatte und sich bei jeglicher Entscheidung an ihm orientierte. In ihr kam ein Gefühl der Abhängigkeit auf – ähnlich eines Suchtverhaltens – sie hatte das Gefühl ohne ihn nichts mehr zu sein und nichts mehr zu können. Eine Farce zwischen Bangen und Hoffen begann.
Romana hatte eine tiefe emotionale Verletzung und Demütigung erfahren. Sie konnte es nicht fassen, dass alles so gekommen war. Nachdem ein Jahr vergangen war, packte sie seine Sachen ein und schickte sie ihm mit der Post zurück, damit sie nichts mehr von ihm in ihrer Wohnung hatte. Für sie stand fest - sein eigenartiges Getue hat mit einer anderen Frau zu tun - er hat wahrscheinlich in der Zwischenzeit eine Beziehung mit einer anderen Frau (oder mehreren) begonnen. Die Erkenntnis schmerzte sehr. Sie konnte ihn und sein Verhalten nicht mehr einschätzen.
Romana begann eine Beratungstherapie und es gelang, ihr geringes Selbstvertrauen wieder aufzubauen. Sie brach jeglichen Kontakt zu Marcus ab und nahm jede Schuld von sich. Ihr wurde bewusst, dass sie zu wenig auf die Zeichen geachtet hatte, die ihr eigentlich von Beginn an gezeigt hatten, dass etwas nicht passt. Auch hatte er einmal nebenbei erwähnt, er könne jede Frau haben. Das war ein Moment, indem sie ein sonderbares Gefühl bekam.
Erst im Nachhinein stellte sie fest, wie egoistisch Marcus eigentlich wirklich war, dass es ihm im Prinzip immer nur um seinen Vorteil ging, dass er das eine oder andere Mal gelogen hatte und sie sich in eine totale Abhängigkeit begab. Sie tat letztendlich alles, was er wollte. Geschickt eingefädelt, war ihr das gar nicht bewusst, auch wenn sie Sachen aß, die ihr nicht schmeckten, weil er sich die Gerichte unbedingt einbildete oder sie ihre Freizeitaktivitäten an ihm orientierte, weil er ihr das so gut einreden konnte.
Ihr wurde bewusst, dass es nicht an ihr lag, sondern Marcus ein Bindungsproblem hatte und es ihm wahrscheinlich zu eng wurde, als sie begann, mit der Zeit Erwartungen und Ansprüche an ihn und die Beziehung zu stellen. Sie hatte sich tief auf ihn eingelassen - mit Körper, Geist und Seele. Er jedoch nur oberflächlich, weil es ihm so leichtfiel, sie stehenzulassen. Am Schwierigsten war für sie jedoch der Umgang mit dem Zurückgelassen-werden ohne zu wissen, was los war, ohne dass jemals offen eine Trennung ausgesprochen wurde. Sie lernte zum ersten Mal den Begriff Ghosting kennen und ihr wurde klar, dass sie nur ein weiteres Opfer von wahrscheinlich vielen war, die Menschen mit narzisstischen Zügen brauchen, um sich aufzuwerten.
Sie kam aus dieser Abhängigkeit heraus und lernte wieder, sich auf ihre Impulse zu verlassen und eigenständige Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie nicht immer richtig waren. Letztendlich konnte sich dem Fluss des Lebens wieder anvertrauen und lernte einen neuen Mann kennen, mit dem sie nun glücklich zusammenlebt und ein gemeinsames Kind hat.
Großer Dank an Romana, die mit ihrer Geschichte anderen Menschen die Augen öffnen möchte, die sich in einer manipulierenden, toxischen Beziehung befinden,
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